Publikationen

«Frauen in der Landwirtschaft», Teil 1

Miriam Schluep ist Bäuerin und IT-Ingenieurin. Und Eigentümerin eines 22,5 ha grossen landwirtschaftlichen Betriebs in Schnottwil.

Miriam Schluep ist unkonventionell und visionär. Eine Frau voller Tatendrang, mutig und innovativ. Sie ist Bäuerin und Unternehmerin, Mutter von zwei Kindern und Ehefrau. Und IT-Ingenieurin von Beruf, ihr Mann ebenfalls. «Wir haben uns im Studium kennengelernt», erzählt sie. Das war vor 14 Jahren. Heute leitet ihr Mann als ausgebildeter Landwirt EFZ in Biolandbau den Hof, der einst seinem Schwiegervater gehörte. Und sie führt ihre eigene IT-Firma, ihr Arbeitsort ist Bern. Zudem ist sie als Bäuerin FA gerade in der Weiterbildung zur Bäuerin HF. 

Bio aus Überzeugung

Dass sie als Tochter und nicht ihr Bruder eines Tages den idyllisch gelegenen Hof übernehmen würde, war nicht von Anfang an klar. Eine Weitergabe in der «Blutlinie» habe schliesslich auch mit dem bäuerlichen Bodenrecht zu tun, das die Höfe vor Spekulation und Zerstückelung schützen soll. Nun ist es fünf Jahre her, dass der Vater ihr den Hof übergeben hat.

Seither hat sich viel verändert, am Feld 1. Jüngst ist Miriam Schluep mit ihrem Mann, der neunjährigen Tochter und dem elfjährigen Sohn vom Stöckli ins grössere Hochstudhaus mit Baujahr 1827 gezogen – das Stöckli bewohnen jetzt die Eltern. Und: «Wir sind seit Anfang 2018 ein reiner Biobetrieb. Aus Überzeugung», sagt Schluep. Seit anfangs dieses Jahres tragen sie endlich die Knospe. Das Kernstück der Produktion ist die volleingenetzte Himbeerplantage. Es war die erste der Art im Kanton. «Wenn wir nicht investiert hätten, hätten wir den Betrieb im Nebenerwerb führen müssen», schildert Schluep. Der Hof hätte nicht genug abgeworfen, um daraus einen ausreichenden Erwerb zu generieren.

Voll eingenetzt heisst, dass die biologischen Himbeeren gegen die Kirschessigfliege und andere Schädlinge geschützt werden und «dass Nützlinge anstelle von Spritzmittel eingesetzt werden können zur Bekämpfung der Schädlinge», erklärt Schluep. Neu soll auch ein Wandertunnel hinzukommen, damit können durch den Wechsel des Standorts die Krankheiten eingedämmt und die Saison verfrüht werden. «Die Himbeere ist eine sensible Pflanze», sagt sie. Ein Regendach erhöhe weiter die Qualität der Beere. «Unsere Himbeeren sind eine Woche im Kühlschrank haltbar, weil die Feuchtigkeit ihnen nicht zugesetzt hat», gibt sie ein Beispiel. Der Geschmack erst, der sei unverkennbar. 

Es sei auch eine finanzielle Entscheidung gewesen, dass jemand von ihnen auswärts arbeite, sagt Schluep. Sie brauche die Abwechslung, die ihre Firma ihr biete. Dennoch will sie wissen, was auf dem Betrieb läuft. Schliesslich habe sie eine Verantwortung. Aber: «Ich bin nicht im Stall», korrigiert sie ihr Bild der Bäuerin. Das sei das Arbeitsfeld ihres Mannes und sie versuche, ihm dort nicht zu viel reinzureden. Die Löhne und die Buchhaltung seien ihr Bereich – und sie übernimmt in gewisser Weise das buchhalterische Controlling. «Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist heute eigentlich eine Unternehmung.» Einander sind sie Sparrings-Partner. «Wir sind ein gutes Team, um gemeinsam Dinge aufzuziehen», sagt sie. 

Schlueps haben Kühe, zwei Ponys, ein Pensionspferd, sechs Hühner und Laufenten. «Die helfen uns in der Plantage gegen die Schnecken.» Miriam Schluep ist nicht nur visionär, sie ist auch realistisch. Beim Ausprobieren kann es passieren, dass etwas nicht auf Anhieb klappt. «Unser Urdinkel hatte vor drei Jahren einen Pilz, da hat man sich schon fast ein bisschen mokiert.» Dieses Jahr aber gedeihe er. Man sieht ihr die Freude an. Sie wolle mehrere Standbeine aufbauen, denn der Markt verändere sich stetig. «Eine Cash-Cow bleibt nicht immer eine Cash-Cow», weiss sie. 

Warten ist keine Option

Bevor sie mit der Produktion von Himbeeren starteten, machten sie eine Art Marktanalyse. «Wir sicherten uns durch Vertriebspartner die Produktabnahme im Voraus. Schliesslich geht es um eine grosse Investition.» Dieses Jahr produzieren sie Weizen, Urdinkel, Zuckerrüben, Sonnenblumen und Futtergerste. Sie haben eine Mutterkuhhaltung mit 16 Mutterkühen – die alle einen Namen tragen. «Alle zwei Jahre nehmen wir ein Tier für uns. Wir wissen dann, welches Tier wir essen.» In dieser Hinsicht ist Schluep radikal. «Wenn man Fleisch isst, muss man wissen, dass  ein Tier dafür sterben musste.» Sie ist überzeugt, dass sich in Sachen Ernährung in naher Zukunft einiges ändern wird. Der Fleischkonsum wird zurück gehen, man werde noch mehr auf regionale Herkunft der Lebensmittel setzen.  

Wird ihr Sohn oder ihre Tochter mal den Hof übernehmen? «Ich würde es schön finden, aber es gibt gewisse Voraussetzungen dafür», sagt sie. «Wir bauen noch immer auf und das ist kostenintensiv. Das alles eines Tages einfach zu kippen, ist keine Option», sagt Schluep. «Wir wollen, dass das, was wir aufgebaut haben, weiter geht.» Noch sei es nicht so, dass man davon als Familie leben könne.» Sie habe noch weitere Ideen und Visionen, die sie umsetzen will. «Man kann sich nicht einfach hinsetzen und warten. Das funktioniert in keiner Firma.» Eine Trüffelplantage, Schafe und Speisepilze, das sind einige Ideen. Als nächstes aber komme der Hafer. Die Abnahmekanäle dafür seien bereits geklärt, auch das wird nicht dem Zufall überlassen.