«Frauen in der Landwirtschaft», Teil 2
Barbara Stuber hat mit 23 Jahren einen Landwirt geheiratet. Heute führt sie als «Löchli»-Bäuerin ihren eigenen Betriebszweig.
Barbara Stubers Geschäft begann mit einem geschnitzten Modelherz. «Mein Mann hatte mir das mal geschenkt», erzählt sie. Das war die Initialzündung ihrer Änis-Hofbäckerei, die sie seit 25 Jahren betreibt. Im Sommer jeweils wechselt sie auf die Produktion von Amaretti und Cantucci, für Änisbrötchen sei es dann zu warm. Barbara Stuber sitzt am ovalen Esstisch des Bauernhauses von 1925, sie hat die selbstgebackenen Kekse und Kaffee serviert. Im Hintergrund hängen unzählige Model an der Wand, der Blick aus dem Fenster zeigt Heuballen, seitlich der Kuhstall mit den roten Geranien. Um diese kümmere sich ihr Mann Urs.
Als 16-Jährige ist sie mit ihren Eltern und den drei jüngeren Geschwistern aus dem Kanton Aargau nach Biberist gezogen, hat in Solothurn die Ausbildung zur Lehrerin absolviert und mit 20 Jahren ihren zukünftigen Mann Urs kennengelernt, dessen Eltern das «Löchli», den Bauernhof mitten in Biberist, führten. 1993 heiratete sie. „Ich bin nach der Hochzeit auf den Hof gezogen», erzählt sie. Das Leben als Bäuerin habe sie nie «ausprobiert». Heute ist sie froh darum. Hätte sie damals eine Ahnung gehabt, was das alles bedeuten würde, wäre sie als junge Frau vielleicht wieder gegangen, sagt sie lachend. „Ich konnte mir nicht vorstellen, was das Leben als Frau eines Landwirts heisst.» Anfangs habe sie auf ihrem Beruf gearbeitet. Später hat sie am Wallierhof die Ausbildung zur Bäuerin FA absolviert: «Weil ich schlicht keine Ahnung vom Ganzen hatte.» Dort lernte sie kochen, backen, gärtnern, nähen. «Ernährungs- und Betriebslehre waren auch dabei. Und Buchhaltung.»
Stuber ist dreifache Mutter von erwachsenen Kindern. Als Expertin nimmt sie seit sechs Jahren schweizweit die Abschlussprüfungen der angehenden Bäuerinnen ab. Die Ausbildung boome, sagt sie. Vermutlich wollen die Menschen «back to the roots». Die Leute wollen wissen, woher die Nahrungsmittel kommen, das sehe sie auch bei ihrer Kundschaft. Stuber verkauft ihnen neben ihrem Gebäck auch, was ihr Mann Urs produziert, etwa Rind- und Schweinefleisch: Seit den Anfängen von BuuronTour ist sie beim Hauslieferabo für Nahrungsmittel aus der Region dabei. «100 Prozent des Preises geht an die Bauern, fairer und direkter kann man nicht einkaufen.» In der Zeit des Lockdowns sei die Nachfrage massiv angestiegen. Während an einem normalen Freitag vier bis sieben Taschen für das Depot im „Löchli» bereitgestellt wurden, waren es im März und April 30. «Solche Zusammenarbeiten sind bereichernd und ich würde mir mehr wünschen», sagt sie. «Wenn wir die Synergien nutzen, können wir alle mehr produzieren und verkaufen», sagt die engagierte Unternehmerin. Sie hat das Solothurner Gschänktruckli, bestehend aus regionalen Produkten von mehreren Bauernfamilien, mitinitiiert. 2018 hat sie den ehemaligen Schopf in eine geräumige Produktionsküche umbauen lassen. Kein Jahr später traf auch schon der erste Grossauftrag mit 600 Geschenktaschen ein, welche sie mit regionalen Produkten füllen konnte. Im Stall arbeitet sie nicht. «Ich melke nicht und fahre nicht Traktor.» Anders als ihre Schwiegermutter. Einmal habe ihr Sohn als kleiner Bub zu ihr gesagt, sie sei gar keine richtige Bäuerin wie die Grossmutter. Wenn sie das erzählt, scheint sie in ihrem Selbstwert nicht zu wanken, denn: «Was ist eine richtige Bäuerin?»
Die Betriebsführung machen Stubers zusammen. «Wir sind ein Team und gleichberechtigte Partner.» Ihr Geschäft aber ist eigenständig. Die Herstellung von Gebäck und weiteren Produkten sowie der Verkauf ab Hof ist ein eigener Betriebszweig, der in der Buchhaltung separat erscheint. Die Sozialleistungsbeiträge für sich und ihre zwei bis drei Mitarbeitenden zahlt sie als Arbeitgeberin ein. «Ich bezahle hier für mein Geschäft Miete und kaufe die Produkte, zum Beispiel die Rinder, bei Urs ein.» Die Schwierigkeit dabei: «Familie, Betrieb, Finanzen, alles ist ganz eng beieinander.» Im Sommer in die Ferien? Unmöglich. «Wir sind mit den Kindern stattdessen in die Winterferien gefahren.» Damit auch mal Familienzeit ohne den Betrieb gegeben war. Und prompt sei dann eine Kuh ausgerutscht und habe sich das Bein gebrochen. «Man trägt 365 Tage pro Jahr die Verantwortung», weiss sie. Selbst wenn jemand anderes melken kann. «Das Führen eines landwirtschaftlichen Betriebs ist eine Lebensform, kein Job.» Als Partnerin brauche es ein grosses Verständnis dafür.
Über die Zeit und mit allen Erfahrungen als Bäuerin hat Barbara Stuber eine Stärke entwickelt, die ganz selbstverständlich erscheint. «Tragend war für mich der Club 95», gibt sie preis. Eine Gruppe von befreundeten Frauen, die alle 1995 geboren haben, die sich noch heute zum Austausch treffen und das zentrale Thema teilen: Das Leben auf dem Bauernhof. Auf dem Land und mitten im Dorf.
Ob sie mal ins Stöckli nebenan ziehen wird? Nein, schüttelt sie entschieden den Kopf. «Man spricht heute von einer Velodistanz, die die ältere Generation ziehen soll.» Damit sich die jüngere Generation in der Betriebsführung und als Familie frei entfalten kann. Ihr Sohn Adrian ist Landwirt EFZ und beginnt im Herbst die Betriebsleiterschule.