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«Frauen in der Landwirtschaft», Teil 4

Marlene Jaggi (19) ist diplomierte Landwirtin EFZ. Sie will eines Tages den Hof ihres Vaters übernehmen. Ihre Mutter Marianne unterstützt sie bei ihrem Wunsch.

Marlene Jaggi ist gerade mit der Lehre fertig geworden. Die diplomierte Landwirtin EFZ im bio- logischen Landbau verbringt ein paar Tage auf dem Elternhof in Gossliwil – pünktlich zur Zucker- mais-Ernte – bevor sie zu Fuss südwärts aufbricht. Nach Ita- lien, mit dem Zelt, auf unbe- stimmte Zeit. Nur in Begleitung der verspielten Appenzeller Mischlingshündin Lotta. Dass es ihrer Mutter Marianne etwas bange zumute sein muss, ist selbsterklärend. «Den Mutigen gehört die Welt», beschwichtigt Marlene. Zu ihren Schafen, die sie pflegt, seit sie 12 Jahre alt ist, wird ihr Vater schauen. Über den Sommer ist nur die Hälfte auf dem Hof in Gossliwil, die an- dere Hälfte sömmert auf der Alp im Kiental. Warum Schafe? «Ich habe das in den Genen», ant-wortet Marlene. Der Grossvater hatte auch Schafe. Und dass sie Landwirtin werden wollte, war ebenfalls schon immer klar. «Ich wollte nie etwas anderes.» Die Eltern hatten versucht, ihr ande- re Berufe schmackhaft zu ma- chen, vergebens. «Es hat sich früh abgezeichnet, dass von den drei Kindern das jüngste, Mar- lene, den stärksten Bezug zur Landwirtschaft hat. Vor allem der Tiere wegen», so Marianne Jaggi. Der Weg als Nachfolgerin ist eingeschlagen, was das Le- ben dann tatsächlich bringt, wird sich zeigen.

Bäckerin und Schönwetter-Marktfahrerin

Die Familie Jaggi lebt heute von den 18 Mutterkühen, vom Ackerbau, von der Waldwirt- schaft und dem Direktverkauf von Fleisch, Eiern und Brot. Marianne Jaggi holt es jeden Freitag vor den Augen ihrer Kundschaft aus dem Holzofen, der unter dem Vordach des Bau- ernhauses steht; seit 28 Jahren bäckt sie verschiedene Brote und Züpfen. Das Angebot hat sie durch Trockenwürste, Honig, Eier, Knöpfli und Cantucci er- gänzt. «Als ich neu auf dem Hof war, habe ich etwas für mich ge- sucht. Ich wollte mir ein eigenes Standbein aufbauen», erzählt sie. Zudem war sie jahrelang je- weils von Mai bis Oktober «Schönwetter-Marktfahrerin», wie sie sagt. Erst in Grenchen, dann in Solothurn. «An unserem Marktstand waren wir drei Ge- nerationen, meine Mutter, Mar- lene und ich», schaut Marianne Jaggi zurück. Im Übrigen habe sich Marlene dort durch den Verkauf von Goldmelissensirup das Geld für die Schafe verdient, erinnert sie sich. Die Freiheit, die sie in ihrem Zweig hat, schätzt sie. «Der Selbstwert ist ein anderer, wenn man finan- ziell unabhängig ist», sagt Ma- rianne Jaggi. Deshalb wollte sie sich nicht einfach «nur» anstel- len lassen durch ihren Mann.

Als Bauerntochter hat sie im Anschluss an die Handelsschule die Bäuerinnenausbildung ge- macht. Nach der Heirat kam sie nach Gossliwil, auf den Hof ihres Mannes, wo auch ihre Schwiegereltern wohnten. «Ich war mir gewohnt, dass alle unter einem Dach leben, mit einem Wohnzimmer und einer Kü- che.» Hier hatte sie von Anfang an für ihre Familie ihre eigene. Das erlebte sie als positiv. «Dass die Grosseltern gleich unten wohnten, hatte auch viele Vor- teile», differenziert sie das oft konfliktbehaftete generationen- übergreifende Zusammenleben. Ihre Schwiegereltern hätten lan

ge mitgeholfen und die Umstel- lung auf den biologischen An- bau in bewundernswerter Weise mitgemacht.

Sich die Offenheit bewahren

Den 26 Hektaren grossen Be- trieb leiten Marianne und ihr Mann zusammen, der Hof aber mit dem 300-jährigen Bauern- haus gehört ihrem Mann. «Die bisherigen Generationen hier lebten vorwiegend von der Milchwirtschaft, dem Getreide- und Kartoffelanbau. Vor sechs Jahren haben wir auf die Mutter- kuhhaltung umgestellt und die Kartoffeln durch Zuckermais er- setzt», sagt Marianne Jaggi. Vier bis fünf Weiderinder pro Jahr ge- hen in die Direktvermarktung. Das heisst, Marianne Jaggi kauft die Tiere ihrem Mann ab und verkauft das Fleisch an ihre Kundschaft weiter.

Dass ihre Tochter den Be- trieb anders gestalten möchte als die Eltern, stört die Mutter nicht. Marlene möchte die Be- triebsleiterschule absolvieren und Meisterlandwirtin werden. Sie könnte sich vorstellen, Ange- stellte zu haben, Gemüse zu pro- duzieren und eventuell sogar auf den biodynamischen Anbau umzustellen. Ihre beiden Lehr- betriebe waren Demeter-Betrie- be, so hatte sie Einblick in den biodynamischen Gemüsean- bau. Und statt Kühe würde sie dann vielleicht Schafe halten. Ihre Vision ist ein vielfältiger Be- trieb.

Sollte tatsächlich die Tochter den Betrieb mal übernehmen, würde Marianne Jaggi gern wei- terhin mithelfen. Vielleicht wür- de sie in naher Distanz zum Hof wohnen und sich Freiheiten he- rausnehmen, die sie als Bäuerin nicht hatte. Doch noch sind das alles Zukunftsgedanken, an die sie und ihr Mann sich langsam annähern. «Wir hoffen, dass wir uns die Offenheit bewahren können», so Marianne Jaggi, und weiter: «Wir möchten Ver- trauen haben, dass wir Marlene unterstützen können, auch wenn wir die Verantwortung ab- geben.»