«Frauen in der Landwirtschaft», Teil 6
Alt-Bäuerin Rosmarie Von Allmen (74) aus Messen (SO) ist heute Sigristin. Als Grossmutter holt sie bei ihren Enkeln nach, was sie bei ihren Kindern versäumt hat.
Massive Treppenstufen, modern eingebaut, in ein Stöckli, das in seinem Fundament schon lange hier stehen muss. Im Parterre eine geschnitzte Eichentür. Im ersten Stock ebenfalls eine Holztür, sie steht offen. Einladender kann eine erste Begegnung kaum sein. Rosmarie von Allmen, 74, erscheint sogleich, begrüsst die unbekannten Gäste freundlich. Offenheit steht der Alt-Bäuerin gut.
Ein grosser Holztisch in der Mitte des Wohnraumes. Eine Ecke ist von Kindern geprägt, die Küche grosszügig. Hier wird gekocht, miteinander gegessen und Zeit verbracht. Unverkennbar. „Zeitweise habe ich eine Kita“, scherzt sie. Zweimal die Woche kocht sie für die Enkelkinder – nicht nur für sie, sondern oft auch mit ihnen. „Was ich alles in meiner Ausbildung gelernt habe, kann ich erst jetzt richtig anwenden“, konstatiert sie. Die sechs Enkelkinder, zwischen drei und acht Jahre alt, bezieht sie ins Kochen, Einmachen und Backen ein. „Bei meinen eigenen Kindern hatte ich kaum Zeit dafür“, erinnert sie sich. „Ich versuche, das, was ich bei ihnen versäumt habe, an ihren Kindern wieder gutzumachen.“
„Wir waren nie allein“
Rosmarie von Allmen, Bauerntochter aus Utzenstorf, hat 1970 Heinz, einen Landwirt aus Solothurn, geheiratet. „Heinz’ Eltern hatten einen Hof und Land in Solothurn, doch dort war keine Existenz für uns.“ So wohnten sie drei Jahre in Kirchlindach, bevor sie nach Messen zogen. Hier hatten ihre Schwiegereltern 1973 den Hof an der Hauptstrasse gekauft, den sie und ihr Mann von da an bewirtschafteten. 1975 dann die Geburt des ersten Sohnes, 1977 der Tochter und 1979 des zweiten Sohnes. Mit dem Betrieb hatten sie auch einen Mitarbeiter übernommen. „Er hatte gefragt, ob er hier bleiben dürfe und mithelfen, gegen Kost und Logis.“ Bald kamen regelmässig Lehrtöchter hinzu, die bei ihnen arbeiteten und wohnten. Insgesamt haben 17 junge Frauen bei Rosmarie von Allmen das bäuerliche Haushaltlehrjahr absolviert. „Wir waren nie allein, am Tisch waren wir immer eine grosse Runde.“ Dieses Leben als Bäuerin, wie es damals in gewissem Sinne normal war, kannte sie von Zuhause. Dass sie in die Fussstapfen ihrer Mutter treten würde, war früh klar. Es machte ihr auch nichts aus. Im Gegenteil, es erfüllte sie. Nach der Schulzeit hatte sie die Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin absolviert. 1979 folgte die Berufsprüfung Bäuerin mit Fachausweis. Über zehn Jahre lang nahm sie als Expertin Prüfungen ab. Ihre spätere Arbeit als Präsidentin der Prüfungskommission Nordwestschweiz habe sie immer wieder für mehrere Tage weg vom Hof geführt, was sie schätzte. „Ich hatte immer ein Bein ausserhalb des Hofs.“
Hühner sind ihre Therapie
Diese Art von Bauernleben und Aufgabenteilung, wie sie Rosmarie von Allmen lebte, gehört mehrheitlich der Vergangenheit an. „Die Zeit ist eine andere.“ Sie erlebt es bei ihrem jüngeren Sohn Markus, der 2006, ein paar Wochen vor dem Tod des Vaters, den Hof übernommen hat. Damit sind viele Veränderungen einher gegangen. Der Sohn hat den 20 ha grossen Betrieb auf eine biologische Produktion umgestellt, die Tiere werden heute in einer Tierhaltergemeinschaft betreut. Das heisst, zwei oder mehr Bauern teilen sich eine Tierhaltung und deren Ertrag. Statt dass jeder einen Kälberstall, eine Weide etc. hat, legen sie die Infrastruktur und die Ressourcen zusammen. Und während ihre Schwiegertochter ausserhalb der Landwirtschaft berufstätig ist, hilft Rosmarie von Allmen als Gastgeberin und Chaffeuse, als „Hüeti und Chummirzhilf“ aus. Im Bauerngarten, den sie früher für die Selbstversorgung bewirtschaftete, spielen heute die Enkelkinder.
Draussen dunkelt es ein. Der Moment, ihren sechs Zwerghühnern die Stalltür zu schliessen. „Die Kinder haben Kaninchen und Meerschweinchen“, sagt sie. Auf ihrem abendlichen Rundgang schaue sie manchmal auch zu ihren Tieren. „Für mich ist das Halten der Hühner ein bisschen wie Therapie, am Morgen aufmachen und füttern, am Abend wieder zumachen.“ Diese Aufgabe hat sich von ihren ersten Tagen als Bäuerin bis heute wie ein roter Faden durchgezogen. Solange sie kann, wird sie sie begleiten. Dann ist hier auch noch ihre Funktion als Sigristin der reformierten Kirchgemeinde Messen. Eine Aufgabe, die sie mit Hingabe ausführt. Die Kirche sei ihr immer nah gewesen. Als Kirchgemeinderätin sei sie vor 15 Jahren, während der Krankheit ihres Mannes, hineingerutscht.
Soziales Engagement und Singen gehören noch heute zu Rosmarie von Allmens Alltag. Der Chor Taktlos, dem sie seit 2002 angehört, sei ihr wichtig: „Singen ist gesund und die Kameradschaft wertvoll.“ Schaue sie zurück auf ihr Leben, dann sei sie sehr dankbar, trotz der schweren Zeiten. Bei aller Veränderung – nicht nur das Leben in der Landwirtschaft, auch ihr persönliches ist mit dem Einzug ins Stöckli 2012 ein anderes geworden – versuche sie immer wieder zu verstehen. Und sollte einst eines ihrer Enkelkinder den Hof übernehmen wollen, wäre das für sie das Schönste. Ein Geschenk.