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Im Atelier von Gergana Mantscheva

Samstagabend an der Molletmatt: Eine kleine Menschengruppe vor dem Eingang weist den Weg zu Gergana Mantschevas Atelier.

Dort hat die IG Störenkultur ein Konzert von Pasdici organisiert – und eine Disco mit DJ Monobono im Anschluss. Anlass gibt die Eröffnung von Gergana Mantschevas Atelier.

Seit eineinhalb Jahren lebt die Künstlerin bereits in Lüsslingen, wo sie sich das Gebäude einer ehemaligen Fabrik zu einem bewohnbaren Atelier umbauen liess. Das Erdgeschoss besteht aus zwei grossen Räumen, hoch, hell und klar, in denen Leben und Arbeiten zur Symbiose werden.

Hier habe sie zuerst einmal viel gearbeitet, deshalb liess das Einweihungsfest so lange auf sich warten. Das neue Atelier sei für Mantscheva ein Glücksfall, «ein Traum», wie sie sagt. Aber auch belastend. Deshalb, weil es verpflichte. «Sowas Gutes will man sich nicht vermasseln.»
Von Vermasseln ist aber erstmal keine Rede. An die 120 Besucherinnen und Besucher haben zu ihr ins Atelier gefunden, wo eine Hand voll grossformatige Bilder und eine weitere Hand voll kleine zu sehen sind. Nicht viel, meint Mantscheva. Die meisten ihrer Bilder und Fotografien seien weg. Und weg meint verkauft.

Vom Persönlichen zum Gesellschaftlichen

Im grösseren Raum ihres Ateliers hängen prominent zwei grossformatige Bilder, beide ohne Titel: eine sitzende Ganzfigur einer jungen Frau, für das ihre Tochter Modell gestanden ist, und eine zerknautschte Matratze. Zwei Werke aus ihrem grossen Repertoire. Zwei Repräsentative für ihr Schaffen. «Woher komme ich, und wieso bin ich so?», das sind die Fragen, mit denen Mantscheva sich befasse. «Meine Herkunft erzählt mir viel darüber.»

Die Matratze ist jene aus ihrer Kindheit, auf der sie als Mädchen geschlafen habe. Mantscheva hat sie mehrmals schon gemalt. Im zweiten Bild macht sie eine junge Frau zum Motiv, dargestellt mit dem symbolträchtigen Element eines Hochzeitskleids. Insofern bedeutungstragend, als dass auch gesellschaftliche Themen impliziert werden, etwa das Geschlechterverhältnis in einer konservativen, patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Die gebürtige Bulgarin ist sensibel auf diese Themen; sie war 22, als sie ihre Heimat verliess und nach Solothurn kam, hier «konfrontiert mit dem Klischee der Ostblockfrau», so Mantscheva.

Man merkt, sie wüsste noch einiges zu sagen, was für die Betrachtung ihrer Arbeiten wertvoll wäre, doch die Künstlerin wird im Untergeschoss verlangt. Dort sind Pasdici, bestehend aus der Sängerin Regula Born, dem Pianisten Andreas Ortwein und dem Komponisten und Texter Oliver Leist, bereit für den Auftritt. Sie spielen an diesem Abend Lieder, die Oliver Leist eigens für Mantschevas Bilder geschrieben hat. «Gerganas Bilder sind eine wunderbare Inspirationsquelle», so Leist, «sie rufen Emotionen hervor, haben aber auch einen Anspruch an den Intellekt.» Diesem begegnet die Musik von Pasdici sprachlich. «Der Text ist bei uns im Vordergrund», sagt Born. So singt sie denn aus der Dunkelheit des Raums, die einzige Lichtquelle ist die Projektion der Fotografien und Bilder an der Leinwand. Damit überlässt sie ihrer Stimme und Mantschevas Arbeiten die Bühne.

Die Texte wirken. Und während beispielsweise die Fotografie einer dunkelhaarigen jungen Frau in Brautkleid, vom Boden erhöht, als würde sie schweben, mit gesenktem Blick vor einer prunkigen Tapete zu sehen ist, erklingt Borns klare Stimme, vom Piano begleitet: «Ich denke mich weg an den Ort, der den Rest meiner Seele bewahrt. Mein Kopf gehört mir.»

Das Spartenübergreifende steht an diesem Abend nicht nur im Interesse der Künstler, sondern auch der Veranstalterin IG Störenkultur, die das Vernetzende in ihrer Arbeit stark gewichtet. Sie präsentiert regelmässig kulturelle, nicht kommerzielle Anlässe, mit denen sie hauptsächlich am Jurasüdfuss «auf die Stör» geht.