Wenn die Pandemie den Abschluss verdirbt
40 Prozent der Lernenden EBA-Hauswirtschaftspraktikerinnen und -praktiker sind im vergangenen Jahr durch die Abschlussprüfung gefallen.
Seraina F. war auf dem Weg zur Hauswirtschaftspraktikerin EBA. Sie stand kurz vor ihren Abschlussprüfungen. Dann kam die Pandemie und mit ihr die Hygienevorschriften und die ausserordentliche Lage. Und Seraina F.s berufliche Laufbahn nahm eine Wende. Denn: Trotz guter Schulnoten hat sie das Qualifikationsverfahren nicht bestanden. Sie ist kein Einzelfall, für sechs der insgesamt 14 EBA-HWP-Lernenden des Kantons Solothurn war die Abschlussprüfung kein Grund zum Feiern.
«Für mich kam alles sehr schnell», sagt Seraina F. heute. «Zuerst hätten wir die Prüfungen am 22. Mai gehabt, und dann hiess es etwa eine Woche vorher, sie finden am 11. Mai statt.» Die Vorverschiebung war nur eine der Änderungen. Hinzu kam, dass die Prüfungen im Inforama Rüti in Zollikofendurchgeführt wurden und nicht wie üblich im eigenen Betrieb. «In der Wäscherei unseres Betriebs hatten wir nur Polohemden gewaschen und gebügelt,während der LAP mussten wir dann Blusen bügeln. Das hatten wir nicht so geübt», berichtet sie. Die Fachlehrerin der Berufsschule sei zwar vor Ort anwesend gewesen, sonst niemand, den sie kannte. Auch die zu bedienenden Maschinen seien fremd gewesen. Und zu guter Letzt wurden nicht vier praktische Fächer geprüft, sondern nur zwei. «Wenn man am Prüfungstag in einem der beiden Fachbereiche keine guten Leistungen zeigt, hat man bereits nicht bestanden», kritisiert Peter Schneider das Verfahren. Der inzwischen pensio-nierte ABU-Lehrer und ehemalige Fachschaftsleiter des BBZ Olten hat er Seraina F. unterstützt, Beschwerde einzureichen gegen ein «völlig unzureichend geplantes und durchgeführtes QV». Stossend ist für ihn, dass ausgerechnet die Schwächeren in der beruflichen Grundbildung die Leidtragenden der «Bürotisch-Entscheide» seien.
«Absicht war, den Lernenden entgegenzukommen»
«Die zwei geprüften praktischen Fächer Reinigung und Wäscheversorgung gehören zu den Kernkompetenzen einer EBA-HWP-Lernenden», sagt Chefexpertin Sonja Scheurer von der OdA Hauswirtschaft Solothurn. Die Prüfungskommission habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.«Die Lernenden hatten vor der Prüfung zehn Minuten Zeit, die Räumlichkeiten anzuschauen. Und es wurde nichts geprüft, was nicht auch nach der Bildungsverordnung verlangt war.»
Letztlich gebe es Anforderungen an den Beruf, die auch in einem Coronajahr geprüft werden müssen. «Eine Hauswirtschaftspraktikerin muss eine fremde Maschine bedienen können, schliesslich lernt sie die Technik und nicht ein spezifisches Gerät.» Ob der Verzicht auf praktische Prüfungen in diesem Ausnahmejahr für die Lernenden besser gewesen wäre, wage sie zu bezweifeln.
«Die Absicht war, den Lernenden damit entgegenzukommen», so Regina Probst, Präsidentin der OdA Hauswirtschaft Solothurn und Berufsfachschullehrerin am BBZ Olten. «Wir hatten die Weisung unseres nationalen Dachverbandes, wie das Qualifika- tionsverfahren 2020 umgesetzt werdenmuss, damit es den geltenden BAG-Vorschriften entspricht», sagt Probst. Dazu gehörte neben der Sammelprüfung auch das verkürzte Verfahren.«Wir sind froh, konnten wir die Prüfung mit der ODA Hauswirtschaft Bern durchführen», betont sie, auch wenn sie persönlich bedauere, dass das neueund pandemiebedingt kurzfristig kommunizierte Prüfungssetting für die Solothurner Lernenden nicht von Vorteil gewesen sei. «Die Expertinnen und Experten und unsere Prüfungskommission haben sauber gearbeitet – nach dem üblichen Grundsatz, dass im Zweifelsfall für die Lernenden entschieden wird.»